Plastik statt Urlaubsidylle: Albanien erstickt im Müll

Traumhafte Berge im Norden und Sandstrände entlang der Küste – Albanien beeindruck mit einer vielfältigen Natur. Doch eines zieht sich durch die gesamte Landschaft: Plastikmüll.

Strände voller Plastik

Ein einsamer Sandstrand am Meer und in der Ferne die Berge: das wirkt wie ein Urlaubsparadies. Doch das Knirschen von Plastik unter den Schuhen zerstört die Idylle. Wenn man sich auf dem Strand bewegt, fühlt man nicht feinen Sand unter den Füßen, sondern Plastikmüll. Und es ist kein Ende in Sicht – soweit man blicken kann, ist der Strand gefüllt mit Plastik.

Dieser Strand liegt hier in Europa, am Ishmi-Delta in Albanien, dort, wo der Ishmi ins Mittelmeer mündet. Seit Jahren hat Albanien mit einer enormen Umweltverschmutzung, gerade an Flussufern, in Flüssen und an Stränden, zu kämpfen – und der Ishmi ist der am schlimmsten verschmutzte Fluss im Land. Etwa ein Drittel der EinwohnerInnen Albaniens leben an dem vergleichsweise kurzen Fluss mit nur ca. 75km Länge.

Am Ufer des Flusses liegen sowohl die Hauptstadt Tirana als auch viele Industrieunternehmen, die ihre Abfälle und ungereinigten Abwässer direkt in den Fluss leiten. Die Auswirkungen sind deutlich sichtbar: sowohl das Ufer, als auch der Fluss selbst und seine Mündung ins Mittelmeer sind enorm durch Abwasser, Plastik und andere Abfälle verschmutzt.

Albanien fehlt die Müllinfrastruktur

Das große Problem: die Müllinfrastruktur funktioniert in vielen Bereichen nicht oder ist erst gar nicht existent. Es gibt kein landesweites System, wie mit dem Müll umgegangen wird – was dazu führt, dass der größte Teil illegal verbrannt wird oder auf illegalen Deponien, an Straßenrändern, an Flussufern oder direkt in Flüssen landet.

Eine der Ursachen für eine fehlende Müllinfrastruktur liegt in den geringen finanziellen Mitteln der Gemeinden. Es ist gerade noch möglich, die Straßen zu reinigen und teilweise die Müllabfuhr zu finanzieren, jedoch bleibt kein Geld mehr, um den Müll ordnungsgemäß zu sortieren und zu recyceln. So fehlt es an Orten, an welchen der Müll gesammelt und sortiert werden kann, bevor es an eine mögliche Weiterverarbeitung geht. Beispielsweise gab es in ganz Albanien im Jahr 2019 nur vier offizielle Deponien, um den Müll sicher lagern zu können.

In der Hauptstadt Tirana wirkt es dagegen relativ sauber: es gibt ausreichend Müllcontainer und eine verlässliche Müllabfuhr, jedoch wird der abgeholte Müll nicht sortiert oder recycelt, sondern landet oft auf nicht gesicherten Deponien. Gerade in den ländlichen Regionen existiert ein unzureichendes Abfallsystem. Die Müllcontainer sind oft weit entfernt von den Haushalten oder nur begrenzt vorhanden, wodurch viele EinwohnerInnen ihren Abfall in der Umwelt oder im Fluss entsorgen. Neben den Möglichkeiten einer umweltgerechten Entsorgung fehlt hier oftmals auch ein gesteigertes Umweltbewusstsein.

2018 entschlossen sich einige Gemeinden, nicht weiter in eine verbesserte Müllsammlung und Mülltrennung zu investiert, sondern den Fokus auf den Bau einer Müllverbrennungsanlage in Tirana zu legen. Kritische Stimmen warnen, dass es aus einer Nachhaltigkeitsperspektive sinnvoller wäre, erstmal eine Müllsammlung und -trennung sicherzustellen, bevor der Bau einer Verbrennungsanlage beginnen kann.

Reinigung der Flüsse

Die unkontrollierte Entsorgung des Mülls hat fatale Folgen für Mensch und Natur: die Verunreinigung der Gewässer, des Grundwassers, der Böden und der Umwelt stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung dar und führen zu einer Zerstörung der Flora und Fauna. Das Problem existiert im gesamten Land, doch besonders am Ishmi ist die Verschmutzung fatal.

Ein großes Problem, das im gesamten Balkan zu beobachten ist, ist die Verschmutzung der Gewässer durch Schwermetalle, die sich vom Wasser auf Pflanzen und Tiere übertragen und schließlich in den menschlichen Körper gelangen können. Die Ursachen liegen häufig in der industriellen Produktion und der Verunreinigung durch Abwasser, Haushaltsmüll und landwirtschaftlichen Abfällen.

Mit Blick auf die enormen Auswirkungen der Verschmutzung auf die menschliche Gesundheit und die Zerstörung der Natur ist eine Reinigung der Gewässer in Albanien von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus sind sowohl die Säuberung als auch ein funktionierendes Abfallsystem Voraussetzungen für den möglichen EU-Beitritt – Albanien hat aktuell den Kandidatenstatus.

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Müllsammelboot und Infrastruktur von everwave

Das Ishmi-Delta ist abgelegen und schwer erreichbar, wodurch die grundlegende Infrastruktur, wie etwa gut ausgebaute Straßen, fehlt, um einen langfristigen Cleanup-Standort aufbauen zu können. Direkt am Ishmi-Delta sind daher nur händische Cleanups möglich.

Der everwave Cleanup-Standort befindet sich im Norden Albaniens, genauer gesagt in Kukës. Hier ist das Müllsammelboot am Fierza-See an der Drin im Einsatz – denn der Fierza-See und die Drin sind wichtige Quellen für Trinkwasser und Energie im Land. Direkt am Einsatzort in Kukës wurde ein neues Zero-Waste Center errichtet, wodurch der gesammelte Müll sortiert, in Ballen gepresst und effizient weitertransportiert werden kann. Dieses Zero-Waste Center hat eine besondere Bedeutung für das everwave-Team, denn es konnte die erste Müllpresse überhaupt in Kukës installiert werden.

Der Müll, den das Boot in Albanien sammelt, besteht zu einem Drittel aus nicht-recyclebaren und zu zwei Drittel aus recyclebaren Müll. Der recyclebare Müll enthält hauptsächlich PET, welches im Zero-Waste Center in der Müllpresse gepresst und zu Recyclinghöfen nach Tirana transportiert wird.  

Der nicht-recyclebare Müll wird aktuell auf einer lokalen, gesicherten Mülldeponie entsorgt. Das entspricht nicht dem Standard, den everwave anstreben, doch in Kukës und Umgebung gibt es aktuell keine andere Möglichkeit der Entsorgung. Hier ist man auch von der vorhandenen Infrastruktur des Landes abhängig – doch es wird einer hoffentlich baldigen Lösung gearbeitet.  

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Studie zum Ishmi-Delta: https://www.researchgate.net/publication/338864825_Stopping_the_pollution_of_Ishmi_River_Basin_in_Albania

 

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