Müllexporte – deutsches Plastik weltweit
Gekauft, gebraucht, recycelt – dieser Kreis prägt unser Bild von Plastik. Doch der Mythos von Deutschland als Recycle-Weltmeister bröckelt. Weder eine komplette Verwertung noch eine Weiterverarbeitung im Inland entsprechen der Realität.
Recyclen: Zahlen, die täuschen
Gute Neuigkeiten aus Deutschlands Haushalten: im zweiten Jahr in Folge sank 2023 die Produktion des Haushaltsmülls auf einen neuen Tiefstand1. Also alles gut? Endlich haben wir es verstanden: Einwegplastik vermeiden und den Müll trennen, damit er recycelt werden kann – und alles ist super!
Leider weit gefehlt. Private und gewerbliche Endverbraucher produzieren zwar den meisten Plastikmüll, nur ein kleiner Teil fällt in der Industrie an2, aber was mit dem Plastikmüll passiert, nachdem er fein getrennt in der Gelben Tonne landet, können Privatpersonen kaum beeinflussen. Die offiziellen Recyclingquoten in Deutschland sind mit 45% relativ hoch (Stand 2016). Doch diese Zahlen täuschen. Sie beziehen sich nur auf den Teil, der bei den Recyclingunternehmen ankommt – ob der Kunststoff tatsächlich wieder in Umlauf gebracht wird, wird nicht erfasst.3 Laut des Plastikatlas der Heinrich Böll Stiftung aus dem Jahr 2019 werden 15,6% zu Rezyklat verarbeitet und nur 2,8% so recycelt, dass er in der Industrie wie Neukunststoff eingesetzt werden kann4.

Exportieren statt Recyceln
Genaue Daten über die Recycling-Quoten zu bekommen wird zusätzlich erschwert, da Deutschland immer noch gerne ein Teil des inländisch produzierten Plastikmülls exportiert. Das perfide daran: wenn Kunststoffmüll aus Deutschland in zertifizierte Recyclinganlagen im Ausland exportiert wird, geht er in die Berechnung der deutschen Recyclingquoten mit ein. Aktuelle Daten in Bezug auf das Jahr 2024 zeigen, dass Deutschland allein 2024 732.000 Tonnen, das entspricht über 10% des in Deutschland produzierten Kunststoffmülls, ins Ausland exportierte.5
Damit liegt Deutschland hinter Japan und den USA weltweit auf dem dritten Platz der Müllexporteure6. Hauptabnahmeländer für deutschen Müll liegen in Südostasien und Osteuropa (16% Malaysia, 14% Türkei, 12% Niederlande, 8% Indonesien, 8% Polen, 5% Vietnam)7. Auch in der EU und weltweit sind Müllexporte hoch im Kurs – noch vor kurzer Zeit war China der Müllplatz der Welt, doch seit 2018 sind Chinas Grenzen für Müllexporte dicht. Die traurige Nachfolge tritt Malaysia an, das Land verzeichnet einen extremen Anstieg an Müllimporten.8 Ein genauerer Blick auf die EU zeigt, dass allein in 2023 35 Millionen Tonnen Müll aus der EU exportiert wurden und die Zahl stetig ansteigt9. Davon gingen mehr als 1,3 Mio Tonnen Plastikmüll in Nicht-EU-Länder, etwa die Hälfte nach Südostasien und ein Viertel in die Türkei10. Die Wege der Plastikabfälle in andere Länder sind oft undurchsichtig und die Exportdaten beziehen sich nur auf die offiziellen Daten, illegale Transporte können nicht erfasst werden11.
Folgen der globalen Müllexporte
Das Geschäft mit Müll kann durchaus lukrativ sein – letztlich handelt es sich um Rohstoffe. Der niedrige Preis für neuen und das teure Sortieren und Aufbereiten von gebrauchtem Kunststoff führte in Europa dazu, dass Plastik an Länder des globalen Südens exportiert wird. Doch genaue Nachweise über die Recyclinginfrastruktur in den Zielländern sind meist mangelhaft: gerade einmal 14% des weltweiten Plastikmülls wird recycelt, 40% landen auf Mülldeponien, weitere 14% in Verbrennungsanlagen und die restlichen 32% finden ihren Weg in die Umwelt, in Gewässer oder werden unkontrolliert verbrannt.12 Der deponierte Müll kann über Flüsse in unsere Ozeane getragen werden, zersetzt sich dort in Mikroplastik und ist noch Jahrhunderte in der Umwelt nachzuweisen.
Nicht nur der Weg von Mülldeponien in Flüsse und Meere zeigt fatale Folgen für Umwelt und Menschen – auch an den Deponien vor Ort sind schwerwiegende Auswirkungen zu sehen. Da Plastik bei der Produktion zur Verbesserung seiner Eigenschaften mit chemischen Zusätzen wie Weichmachern, Flammschutzmittel oder Farbstoffen versetzt wird, können diese aus dem Material wieder austreten und sowohl in Wasser oder Luft übergehen, als auch in Lebensmittel gelangen.13 Greenpeace-Mitarbeiter: innen untersuchten Boden- & Wasserproben an fünf verschiedenen Orten der türkischen Provinz Adana. An allen Stellen wurde ein breites Spektrum umweltschädigender und giftiger Chemikalien festgestellt, teils in extrem hoher Konzentration. Einige der nachgewiesenen Chemikalien können Wachstumsstörungen bei Kindern, Hormonstörungen, Organschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verschiedenen Krebsarten verursachen.14

EU setzt neue Grenzen
Die Grundlage der rechtlichen Regelungen für Müllexporte bildet das „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“. Es ist das weltweit erste Umweltabkommen und trat 1992 in Kraft – heute sind 191 Staaten und die EU Vertragspartner. Das Übereinkommen regelt den Export gefährlicher Abfälle und verpflichtet die Länder, dafür Sorge zu tragen, dass diese Abfälle umweltgerecht behandelt und entsorgt werden. Das Übereinkommen wurde 2021 verschärft und beinhaltet nun zusätzlich eine Zustimmungspflicht von Export- und Importland zum Transport von gefährlichen oder verunreinigten Kunststoffabfällen.15
Im Basler Übereinkommen wird nur der Export gefährlicher Abfälle geregelt – eine grenzüberschreitende Regelung für Kunststoffabfall allgemein existiert nicht. Daher steuerte 2024 die EU nach und verabschiedete eine EU-Richtlinie, die ab Mai 2027 umgesetzt werden soll: nach dieser soll Müll, egal ob gefährlicher Abfall oder nicht, nur noch in Länder außerhalb der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) exportiert werden können, wenn das Zielland explizit zustimmt, die strengen Abfallbewirtschaftungsstandards erfüllt und eine nachhaltige Verarbeitung des Mülls nachweisen kann.16 Zudem sollen ab November 2026 Exporte von Kunststoffabfällen in Nicht-OECD-Länder für zweieinhalb Jahre verboten werden18. Neben den Exporteinschränkungen sieht die Richtlinie auch eine stärkere Bekämpfung des illegalen Abfallhandels vor19.
In der OECD sind aktuell 38 Länder organisiert, darunter europäische Länder und weitere Industrieländer, wie etwa die USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland und die Türkei20. Somit erschwert die neue EU-Richtlinie Müllexporte nach Südostasien – jedoch bleiben die Türkei und osteuropäische Länder als große Importländer weiterhin offen, obwohl nachgewiesen wurde, dass Plastikmüll dort nicht vollständig recycelt, sondern auf Deponien landet oder illegal entsorgt wird.21
Die Türkei versuchte bereits, selbst nachzusteuern und erließ 2021 ein Importverbot für bestimmte Plastikabfälle, wie etwa gemischte oder mechanisch sortierte Kunststoffe, da diese schwer zu verwerten sind22. Es wird sich noch zeigen müssen, wie weit länderspezifische Importverbote und die neue EU-Richtlinie etwas verändern können – am jüngsten Beispiel China kann man sehen, dass lokale Verbote durchaus Wirkung zeigen.
Impact von everwave
everwave übernimmt Verantwortung für den Plastikmüll in Flüssen und Gewässern weltweit: gemeinsam mit Unternehmen holte everwave bereits 1,9 Mio Kilogramm Müll aus Flüssen. Dieser wird mit Hilfe von KI in lokal installierten Zero-Waste Centern getrennt und für die Weiterverarbeitung vorbereitet. Auch everwave steht vor spezifischen Herausforderungen im jeweiligen Land, gerade in Asien besteht der gesammelte Müll größtenteils aus Haushalts- und nicht-recycelbaren Müll – dieser wird lokal in das sogenannte Co-Processing gegeben, bei dem der Müll verbrannt und dadurch Strom produziert wird. Das ist aktuell die beste Lösung, um zu vermeiden, dass der Müll ein zweites Mal in die Umwelt gelangt. Durch das System der Plastic Credits kann jedes Unternehmen direkt aktiv werden und Verantwortung übernehmen.
Quellen
- https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/12/PD24_475_321.html
- Kunststoffabfälle in Deutschland – NABU
- https://www.greenpeace.de/engagieren/nachhaltiger-leben/plastikmuellexporte-deutschland
- https://www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell_Plastikatlas%202019%206.Auflage_V01_kommentierbar.pdf
- https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/abfall-und-recycling/26205.html
- https://de.statista.com/infografik/18340/die-groessten-plastikmuell-exporteure-der-welt/
- https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/abfall-und-recycling/26205.html
- https://de.statista.com/infografik/18340/die-groessten-plastikmuell-exporteure-der-welt/
- EU: Diese strengeren Regeln für Müllexporte treten in Kraft
- https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/abfall-und-recycling/26205.html
- https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/abfall-und-recycling/26205.html
- https://www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell_Plastikatlas%202019%206.Auflage_V01_kommentierbar.pdf
- https://www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell_Plastikatlas%202019%206.Auflage_V01_kommentierbar.pdf
- https://www.greenpeace.de/engagieren/nachhaltiger-leben/plastikmuellexporte-deutschland
- https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/basel-convention-on-the-control-of-transboundary-movements-of-hazardous-wastes-and-their-disposal.html
- https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/03/25/waste-shipments-council-signs-off-on-more-efficient-updated-rules/
- EU-Kommission : Strengere Vorschriften für EU-Müllexporte treten in Kraft | ZEIT ONLINE
- https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/03/25/waste-shipments-council-signs-off-on-more-efficient-updated-rules/
- Members and partners | OECD
- https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/abfall-und-recycling/26205.html
- https://www.greenpeace.de/engagieren/nachhaltiger-leben/plastikmuellexporte-deutschland